Schritte

Die Gedenkstätten der ehemaligen Tötungsanstalten der „Aktion T4“ haben umfangreiche Datenbanken und Angehörige können dort Auskunft erhalten. Sollten Sie nicht wissen, ob und wo Ihr Angehöriger umgekommen ist, empfehle ich als erstes bei den Gedenkstätten nachzufragen, weil Sie hier am schnellsten eine Antwort bekommen. Bei Anfragen an die Gedenkstätten brauchen Sie normalerweise einen Vor- und Nachnamen und das Geburtsdatum. Wenn Sie wissen, in welcher Anstalt sich Ihr Angehöriger befunden hat, können Sie daraus schließen, in welche Tötungsanstalt er gekommen ist. Für die bayerischen Anstalten waren beispielsweise Grafeneck und Hartheim zuständig. Weitere Informationen erhalten Sie auf den Webseiten der Gedenkstätten: Grafeneck, Hartheim, Pirna-Sonnenstein, Bernburg, Brandenburg und Hadamar.

Wenn eine Gedenkstätte Ihnen die Auskunft gegeben hat, dass Ihr Angehöriger Opfer der „Aktion T4“ geworden ist, können Sie auf der Website des Bundesarchiv in Berlin überprüfen, ob eine Krankenakte archiviert ist. Seit August 2018 ist eine Liste mit den Namen derjenigen Opfern der „Aktion T4“ online veröffentlicht, zu denen es eine Krankenakte im Bundesarchiv gibt. Diese Akte kann entweder vor Ort eingesehen werden, Sie können aber auch eine Kopie für einen geringen Betrag anfordern.

Sollte Ihr Angehöriger in den Gedenkstätten unbekannt sein, wäre der nächste Schritt zu prüfen, ob er in einer Anstalt gestorben ist. Da auch damals Anstalten bestimmte Einzugsgebiete zu versorgen hatten, ist es hilfreich den letzten Wohnort zu kennen, um die Anstalt der (ersten) Klinikaufnahme eingrenzen zu können. Es kann sein, dass Ihr Angehöriger vom Ort der ersten Aufnahme weiterverlegt worden ist und in einer anderen Anstalt gestorben ist, was sich aber aus vorhandenen Unterlagen (Krankenakten oder die Aufnahmebücher der Klinik) erschließen lässt.

Je nach Träger der Einrichtung befinden sich die Krankenakten der in der Anstalt verstorbenen Patienten in Kliniks-, Bezirks- oder Staatsarchiven. Für eine Anfrage brauchen Sie Vor- und Nachnamen, das Geburtsdatum und manchmal ist es  hilfreich, wenn Sie auch das Aufnahmedatum bzw. -Jahr eingrenzen können. Diese Archive haben nicht immer eine Datenbank, so dass die Bearbeitung einer Anfrage länger dauern kann. Leider kann es immer noch vorkommen, dass Sie mehrmals nachhaken müssen, bis Sie überhaupt eine Antwort bekommen. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen!

Wenn Sie schließlich die Krankenakte in den Händen halten, muss im nächsten Schritt gedeutet werden, ob Ihr Angehöriger an einem natürlichen Tod gestorben ist oder nicht. Dazu braucht es Erfahrung. Mehr dazu finden Sie im Menüpunkt „Aktendeutung“.

Quellen-Lage

Nicht-Historiker stehen am Anfang der Recherche vor vielen Rätseln. Wo sich die Unterlagen – in den Geschichtswissen nennt man das Quellen – heute befinden, hängt von der abgebenden Einrichtung ab. Unterlagen einer Stadt werden an das Stadtarchiv abgegeben, Unterlagen des Bezirks (z.B. waren und sind in Bayern die Bezirke für die psychiatrische Versorgung und für Menschen mit Behinderungen zuständig) werden an das Bezirksarchiv abgegeben und Unterlagen des Staates an das Bundesarchiv. Das Archivgesetz regelt die Archivierung wie auch die Einsicht in die Quellen. Private Einrichtungen unterliegen dagegen keinem Archivgesetz, die die Abgabe von Unterlagen und die Einsicht regelt. Hier hängt viel vom Engagement der jeweiligen Einrichtung ab. Manchmal befinden sich die Krankenakten auch noch in der Klinik selbst, dann ist der Klinikdirektor der erste Ansprechpartner.

Die Krankenakten der Opfer der „Aktion T4“ galten bis zur Wende 1989 als verschollen. Bei der Deportation im Rahmen der „Aktion T4“ wurden die Krankenakten der Opfer in die Tötungsanstalten mitgegeben. Als sich die Kriegsniederlage abzeichnete, begannen die Täter im Herbst 1944 mit der Aktenvernichtung, d.h. sie beseitigten belastendes Material. Sie sind jedoch mit der Säuberungsaktion nicht fertig geworden und die übrig gebliebenen etwa 30.000 der ehemals 70.000 Krankenakten wurden in eine Klinik in Ostdeutschland gebracht. Sie landeten schließlich im Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit, wo sie 1989 nach dem Mauerfall entdeckt wurden. Heute befinden sich diese Akten im Bundesarchiv in Berlin.

Wenn Ihr Angehöriger Opfer der „Aktion T4“ geworden ist, aber keine Krankenakte mehr vorhanden ist, können Sie versuchen, ob es vielleicht noch eine Krankenakte von einem früheren Klinikaufenthalt gibt. Gerade wenn es keine familiäre Erinnerung mehr an den fernen Verwandten gibt, kann eine Krankengeschichte – auch wenn sie kritisch gelesen werden muss – den Menschen ein bisschen konkreter werden lassen. Besonders berührend ist es, wenn sich noch Briefe in der Akte finden.

Es gibt – bis auf ganz wenige Ausnahmen – keine Krankenakten mehr von den Opfern der „Sonderaktion“ gegen jüdische Anstaltspatienten.

Heil- und Pflegeanstalten

Bayern

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